Zurück ins Plus nach Plan.

Ich kann nicht mit Geld umgehen. Ich lerne erst jetzt, unterstützt von einer Schuldnerberaterin, bestärkt von Menschen, die mich nicht für mein Unvermögen verurteilen, mein Geld gewissenhaft zusammenzuhalten. Seit mehr als fünf Jahren bin ich nicht mehr im Plus gewesen. Ich hab’ natürlich versucht, da herauszukommen, immer wieder, hab’ viel gearbeitet und mir Urlaube versagt, aber ich hatte weder einen Plan, noch die Hoffnung, die Schulden an die Bank jemals komplett tilgen zu können. Ich resignierte, denn sie wuchsen ja doch. Ich konsumierte wie gewohnt und richtete mich auf ein Leben haarspitzentief im Dispo ein. Abwechselnd träumte ich vom rettenden Bestseller-Vertrag und vom finalen Umzug unter die Brücke. Ich sah mir beim Abkacken zu und wartete auf den erlösenden Knall. Der kam im Juni dieses Jahres.

Die Idee, diese wunde Stelle meiner mittlerweile 36 Jahre währenden Existenz offen zu zeigen, in Form eines Hörstücks für Deutschlandfunk Nova, kam später. Es ist auch schon seit einer knappen Woche online, also, das Stück. Bis jetzt habe ich mich nämlich verficktnochmal nicht getraut, offensiv zu sagen:

„Hier, ich hab’ da was zu erzählen, was Unangenehmes, vielleicht kennst du das auch, dann könnte es dich trösten und dir Mut machen, denn ich selbst sehe endlich wieder Licht.“

Anhören:
…auf deutschlandfunknova.de
…in der ARD Mediathek
…über deinen Spotify-Account
…als Podcast bei iTunes

Lydia Herms am Schreibtisch – Nov. 2017
Haushaltsbuch – Nov. 2017

12 thoughts on “Zurück ins Plus nach Plan.

  1. Wie vielen es genauso geht, was das Leben auf Pump betrifft, erfährst Du hoffentlich als Reaktion auf diesen guten Text. Und Unterstützung.

    Große Kunst, Deine Texte. nicht nur in Bezug auf dieses Thema.

    1. Oh, hab’ Dank, Marlene, für Lob und Zuspruch. Tatsächlich kamen schon sehr liebe Rückmeldungen auf das Stück über meine Schulden bei mir an.
      Tut gut.

  2. Ich habe heute früh das Interview auf Fritz gehört, vielen Dank dafür. Mit welcher Begründung kündigte radioeins das Arbeitsverhältnis? Die Literaturagenten werden ja immer im Duo moderiert, mal mit Herrn Thadeusz, Marion Brasch, aber so ein richtig festes Team haben sie wohl noch immer nicht. Viel Erfolg bei allem!

    1. Stefan, hab’ vielen Dank für Kommentar & Wünsche. Und bitte entschuldige die späte Antwort. Zu deiner Frage: Ich erhielt keine gute, gar befriedigende Begründung. Ich „passte“ nicht mehr. Derartige personelle Entscheidungen sind in dieser Branche nicht selten, Radio ist kein statisches Medium, es wird viel probiert. Das ist hart, für viele meiner freischaffenden Kolleg*innen. Es war auch hart für mich. Fakt ist, dass es mir heute ohne radioeins besser geht, innen drin und drumherum. Auch wenn das auf den ersten Blick meiner „Schuldenkarriere“ widerspricht – es ist so. Viele liebe Grüße.

  3. Liebe Frau Herms, vielen Dank für dieses mutige Feature! Ich sehe ähnliche Entwicklungen um mich herum, dies wird verschämt versteckt und trägt damit schon die kommende Katastrophe in sich. Hut ab für Ihre schonungslose Offenheit.

    Beste Grüße
    ReNovelist

    1. Liebe(r) ReNovelist, ich danke Ihnen für Zuspruch und Verständnis. Es hilft mir sehr. Ich bin auf gutem Wege. Ich hoffe, ich finde bald Zeit und Konzentration, um die aktuellen Entwicklungen mein „Geldproblem“ betreffend und die Recherchen darüber hinaus hier zusammenzutragen. Ich befinde mich trotz allem in einer privilegierten Situation.

  4. Es geht vielen genauso. Klasse dass du den Mut gehabt hast, es öffentlich zu machen. Für Schulden muss man sich nicht schämen. Selbst Leute von denen man es nicht denkt haben finanzielle Probleme.

  5. Es gibt viel zu viele Menschen, die einfach nicht den richtigen Umgang mit Geld erlernt haben. Umso wichtiger ist es, dass es Menschen gibt, die einem dabei unterstützen, um wieder auf die Beine zu kommen.

    1. Tanja, du kannst stolz auf dich sein. So viel Mut. Ich freue mich sehr für dich! Es ist von außen betrachtet nur ein „Terminmachen“, aber ich weiß, wie viel an solch einem ersten Termin hängen kann. Und für dich auch wird. Das wünsche ich dir.

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